Dienstag, 24. April 2012

Bei Kolja Kugler in der Werkstatt

Beim Robodonien 2012 wollen wir Koljas bass playing robot mit Blotch zusammen auf der Bühne spielen lassen und fangen gerade an, daran zu tüfteln. Freu mich riesig drauf.
Hier ein paar Aufnahmen vom rockenden Roboter aus Koljas Werkstatt:

Mittwoch, 11. April 2012

Über meine Suche nach einem Verhältnis zu polyphonem Obertongesang

Ich bin als Musiker jemand, der gern aus der Hüfte heraus musiziert und auch beim Publikum auf die Hüfte zielt; für mich ist ein Konzert vor allem dann gut gewesen, wenn die Leute getanzt haben. Meine Musik soll dennoch auch Gedankenfutter sein und ich schätze auch alle möglichen Arten von Musik, die überhaupt nicht auf Tanz ausgerichtet sind.
Wenn Tanz und Körperlichkeit bei der Musik im Vordergrund stehen, dann braucht es auch beim Musik machen ein gewisses Maß an Körperlichkeit. Musiker einer Funkband z. B. spielen häufig Parts, die sich sehr komplex überlagern, aber die Parts der einzelnen MusikerInnen sind schlichter gehalten als der Gesamtzusammenklang und lassen sich quasi aus der Hüfte spielen.
Um derartige Komplexität als Musiker alleine zu demonstrieren braucht es einen extrem hohen Grad an Konzentration und Kontrolle, sehr feine Körperbeherrschung. Und solche Virtuosität bringt in meinen Ohren den Kopf in den Vordergrund, auf Kosten des Tänzerischen, des "Sich-gehen-Lassens". Das ist grundsätzlich weder gut noch schlecht, aber ich muss es berücksichtigen, der Gestus des Musizierens wird nunmal ein anderer.
Für mich ist das eine Erklärung, warum ich den polyphonen Obertongesang zwar theoretisch interessant finde, aber praktisch nicht so recht damit warm werde. Weil er nicht rockt - zumindest habe ich das bislang weder gehört noch selber zustande gebracht.

Ein weiterer, zusammenhängender Aspekt: Obertongesang ist für mich ein Zugang zu größerer Klangsinnlichkeit, zu einer genaueren Wahrnehmung der Physis des Schalls. Für ein gezieltes polyphones Musizieren mit Obertongesang braucht es aber eine intensive Aneignung von konzeptionellen Routinen: welche melodischen Phrasen sind von welchem Grundton aus möglich, in welchen Tonarten lassen sie sich sinnvoll einbringen, wie kombinieren etc.
Die Töne - Grundton und jeweils melodisch akzentuierter Oberton - sind dann Größen in einem abstrakten tonalen System, ihre Bedeutung erschließt sich aus ihrer Position und ihren Bewegungen innerhalb dieses Systems. Ihr tatsächlicher Klang tritt hinter ihre symbolische Bedeutung in so einem System zurück und hat nurmehr illustrativen Charakter. Damit kann man fantastische Musik machen. Aber wenn es darum geht, den Fokus stärker auf den Klang als solchen zu richten, dann gelingt dies eher in einer schlichten Struktur.

Mir dienen solche Überlegungen als Positionsbestimmung, um mir klarer zu werden, wo ich stehe; meine musikalischen Vorlieben in Beziehung zu setzen zu dem, was andere machen. Dementsprechend geht es nicht um allgemein gültige Aussagen sondern Tendenzen. Die Xhosa-Sängerinnen z. B. rocken trotz stetiger Grundtonwechsel. Diese bewegen sich aber in einem ganz eng abgesteckten Rahmen. Und musikalische Form kann natürlich auch effektiv die physischen Eigenschaften des Klangs herausstellen, aber enorm kultivierte Spiele mit Skalen und Akkordbeziehungen vermitteln einfach etwas anderes als eine archaische Klangerfahrung, berühren auf andere Weise.

Im Kontext treibender, groovender, auf Tanz, Grenzüberschreitung und Ekstase ausgerichteter Musik eignet sich der polyphone Obertongesang also wohl vor allem als Kontrast, als ein Aufspannen des akustischen Horizonts weit nach oben in das Körperlose, Ätherische hinein, um in Kombination mit brachialen, auf den Unterleib zielenden Klängen ein breites, energiereiches Spektrum musikalischen Erlebens aufzuspannen.


Obertongesang im Verhältnis zu persönlichem Ausdruck

Bodo Maass hat darauf hingewiesen, dass Obertongesang eine Möglichkeit sein kann, weniger von sich zu zeigen. Ich finde dies eine sehr interessante Möglichkeit: indem Assoziationen von Persönlichkeit in der Stimme zurück treten, bekommt die Stimme den Charakter eines Instruments und gelangt damit stärker auf eine Ebene mit anderen Instrumenten, mit Dingen. Das stellt heraus, wie wir Menschen eingebunden sind in die Dingwelt, in die Natur, dass wir trotz unserer Denkfähigkeit und Individualität an die physische, materielle Welt gebunden sind. Ich kann zwar eine Melodie aus der Obertonreihe gestalten, aber die Reihe ist mir vorgegeben. Mein Wille, mein Ich stößt hier sofort an Grenzen seiner Gestaltungsmöglichkeiten und mir gefällt es, diese Grenzen künstlerisch deutlich zu machen, da damit implizit auch die Grenzüberschreitung vom Ich zum Alles mitschwingt - eine mögliche Erfahrung von Transzendenz. Mein persönlicher favorisierter Ausdruck liegt also gerade im Ausdruck des Unpersönlichen.

Und natürlich ist auch das in andere Rollen schlüpfen, die Stimme als Maske, interessant, was naheliegt wenn man z. B. wie Wolfhard Barke improvisatorisch unter anderem bei Fantasiesprache, imaginären Worten ansetzt. Oder wenn man, wie ich das tue, mit Masken und Kleidung seine Erscheinung verrückt.

Freitag, 6. April 2012

Einige musikästhetische Überlegungen in Bezug zum Obertongesang

Hier ein Text den ich im Nachklang zum Alumni-Treffen von Wolfgang Saus Obertonschülern geschrieben habe; eher einige Gedanken zur Anregung eines Gesprächs und keine ausgefeilte Positionierung:


Einige musikästhetische Überlegungen in Bezug zum Obertongesang

Obertöne zu hören bedeutet eine Sensibilisierung der Wahrnehmung; wo vorher ein Ganzes, eine einzige geschlossene Gestalt war - der Ton - entdeckt man als Obertonanfänger nach einer Weile des Hinhörens eine Fülle von Teiltönen innerhalb dieses einen Tons. Dieser Sensibilisierungsprozess ist wie der Übergang von einem alltäglichen zu einem mikroskopischen Hören, es ist eine Überschreitung einer Wahrnehmungsgrenze. Für einen Obertonroutinier haben sich die Grenzen verschoben: nun gibt es neben der Kategorie des einen Tons noch die Kategorie Teiltöne, von denen in der Regel zwei, nämlich der Grundton und der jeweils betonte höhere Teilton, eine musikalische Rolle spielen. Bei mir persönlich trat an dieser Stelle ein gewisser Verdruss ein: das Hantieren mit zwei Tönen gleichzeitig kenne ich von der Gitarre, es ist nichts Besonderes, Faszinierende für mich. Darüber bin ich darauf gekommen, dass mich gerade der Prozess der Grenzüberschreitung, wie er beim Entdecken der Obertöne stattfindet ästhetisch interessiert, dass hier für mich das Besondere, Faszinierende liegt.

Grenzüberschreitung als ästhetisches Programm

Nun kann man etwas nicht immer wieder neu entdecken; wenn ich mein Hören einmal für die Obertöne geschärft habe, dann steht mir diese Art des Hörens künftig einfach zur Verfügung. Aber ich kann so singen, dass die Grenze immer wieder deutlich in das Bewusstsein der Hörenden rückt. Wie? Mit einer subtilen, nicht überdeutlichen Betonung eines Obertones, wobei der Grundton und weitere Obertöne gut hörbar bleiben. Wie bei einem Kipp-Bild kann die Wahrnehmung dann mal den Ton als gesamte Gestalt, mal die vielen einzelnen Bausteine in den Fokus rücken. Das offene, an der normalen Singstimme orientierte Singen, das Wolfgang zur Zeit für den Chorgesang vorschwebt geht in diese Richtung. Aber auch der sanfte Kehlgesang bei Huun Huur Tu hat häufig diese Qualität der Ambivalenz zwischen übergeordneter Gestalt und Einzelteilen. Bei dem auf maximale Deutlichkeit der Obertöne ausgerichteten Gesang von Hoosoo finde ich sie eher nicht, da steht Eindeutigkeit im Vordergrund.

Bei dem, was mich musikalisch und ästhetisch insgesamt interessiert, spielt Ambivalenz eine große Rolle. Sie erzeugt eine Art Reibung, eine Wachheit, da man ja ständig im Unklaren ist, ob es nun so, oder so ist und man also immer wieder neu einschätzen und beurteilen muss. Höre ich einen Ton, oder ist es doch ein ganzer Akkord? Auch bei der polyrhythmischen Verzahnung mehrerer Rhythmen ergibt sich Ambivalenz: unterschiedliche Betonungen konkurrieren miteinander, bilden ein Spannungsfeld aus Schwerpunkten, bei dem es keine Eindeutigkeit gibt. Bei meinen Auftritten als Musiker übertrage ich dieses Prinzip auch auf meine Erscheinung: ein Mischwesen zwischen Mann und Frau, Mensch und Fabelwesen.

Obertöne zu nutzen ist für mich ein Element in einer Ästhetik der Ambivalenz und Grenzüberschreitung. Diese Ästhetik schlägt sich auch kompositorisch nieder: musikalische Elemente so zu kombinieren, dass Reibung entsteht, Intensität, dass sich Räume des Möglichen öffnen und Lust aufkommt, sie zu erkunden. Meine Botschaft als Künstler ist eindeutig die Mehrdeutigkeit, Obertöne sind da ein wirkungsvolles Mittel.

Und sonst?

Hier schlaglichtartig ein paar musikästhetische Gedanken zu Obertongesang.

Es gibt Paradenummern, also Stücke, in denen der Obertongesang als besondere artistische Fähigkeit vorgeführt wird. Diese beziehen sich häufig auf spezifische existierende Genres: polyphoner Obertongesang im Stil von Bach, ein Oberton-Blues, etc. In kompositorischer Hinsicht sind diese Stücke retro - sie beziehen sich auf eine etablierte Formsprache, die allen geläufig ist, gerade dadurch lässt sich die Beherrschung von Technik und Genre gut demonstrieren. Ob das dann eine Paradenummer ist, hängt natürlich vor allem vom Kontext ab: wird das Stück einfach als Musik gehört, oder steht die Attraktion der technischen Meisterleistung im Vordergrund. Es liegt nahe, bei einer jungen, technisch anspruchsvollen Disziplin wie dem polyphonen Obertongesang den Fokus auf die Präsentation des Könnens zu legen. Indem man die Ästhetik hinten anstellt begibt man sich aber in das Getto der Oberton-Fachleute und wird für "Uneingeweihte" zur kuriosen Zirkusnummer, die wohl bestaunt, aber nicht ernst genommen wird.

Einen Gegenpol dazu bildet das gemeinsame Tönen. Hier spielt Virtuosität in der Regel keine Rolle. Häufig kommt dieses Tönen ohne konkrete musikalische Figuren aus, also ohne melodische Verläufe mit spezifischer Rhythmik. Das Amorphe, Ungreifbare ist meist eine zentrale Qualität. Das Ein- und Ausklingen einzelner Stimmen geht häufig im Gesamtklang unter, Veränderungen im Klangbild sind nicht genau fassbar und die Zusammenklänge so komplex, dass sie sich oft nicht eindeutig einordnen lassen. Ähnlich wie bei der Sensibilisierung des Hörens für die Obertöne findet also auch hier eine Grenzüberschreitung statt, weg von fassbaren Strukturen hin zum Klang, der in den Mittelpunkt gestellt wird. Das Weglassen von Strukturen kann zu einer erhöhten Sensibilität für den Klang führen, oder die Musik zu einer Begleiterscheinung eines entspannenden, gemeinschaftlichen Rituals machen. Das Tönen hat als Praxis eine Nähe zu Techniken der Meditation oder auch Selbsterfahrung und die Ungreifbarkeit der Klangergebnisse legt Assoziationen zum Transzendenten nahe.

Wolfgangs (Saus) Interesse an notierten Chorwerken für Obertonsingende verstehe ich als einen Versuch, diese transzendente Qualität in einen wieder stärker musikalisch strukturierten Rahmen hinüber zu holen. Praktisch können dabei durch die technischen Anforderungen die Leichtigkeit und Unmittelbarkeit des Tönens verloren gehen. Die Musik nimmt im Gegensatz zum Tönen hier wieder die Form des bewusst Gestalteten an, das Ungreifbare findet seinen Platz als eines von mehreren Elementen inmitten eines überschaubaren, nachvollziehbaren Geschehens. Wie flirrendes Licht in einem klaren Raum.

Soweit ich es einschätzen kann setzt Wolfhard (Barke) wiederum ganz woanders an, bei den Ausdrucksqualitäten der sprachfreien Stimme und der strukturierten rhythmischen Improvisation.
Es gibt viele weitere Ansatzpunkte, von denen aus man Obertongesang verwenden kann und ich glaube, dass es gut ist, sich in der musikalischen Praxis auch darüber austauschen, in welche Tradition, in welchen Kontext man sich damit stellt oder auch womit man bricht; welche Bedeutungen man damit verbindet, bzw. ob man "einfach so" musiziert. Meiner Wahrnehmung nach kommen viele derjenigen, die sich für das Obertonsingen interessieren mit Motivationen der Selbsterfahrung, des Erlebens. Aus diesem Blickwinkel sind musikästhetische Überlegungen keine Selbstverständlichkeit, ich hoffe dass deutlich geworden ist, dass sie dennoch eine Bereicherung sein können und würde mich über einen regen Austausch freuen.

Montag, 2. April 2012

Blotch live @ LiLu

Bilder vom Konzert gemeinsam mit Ur in Lippstadt. Baströcken und Kokosnussbikini sind frisch aus Hawaii importiert...